Greenpeace-Anfragen zum Freihandelsabkommen CETA

Wenn es nach der EU-Kommission geht, soll CETA vorläufig in Kraft treten, bevor der Bundestag über das Abkommen entschieden hat. Halten Sie das für richtig?

Sehr geehrte Damen und Herren,

Haben Sie vielen Dank für Ihre Postkarte mit der Fragestellung zur vorläufigen Anwendung von CETA.
 
Die vorläufige Anwendung von völkerrechtlichen Abkommen besteht seit Beginn des modernen Völkerrechts und ist gerade bei Handelsabkommen übliche Praxis. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist dies im Artikel 218 Absatz 5 vorgesehen. Dieses Instrument wurde so durch den Bundestag beschlossen und nach bundesverfassungsgerichtlicher Prüfung im Lissabon-Urteil rechtlich gedeckt.
 
Entscheidend ist, dass die EU nur über die vorläufige Anwendung der Bereiche entscheiden kann, die eindeutig in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen (daher würde Kapital 8 zum Investitionsschutz eher keine vorläufige Anwendung erfahren). Da die vorläufige Anwendung des „EU-Teils“ von CETA von der Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Abkommen als Ganzem abhängt, ist die vorläufige Anwendung auf europäischer Ebene parlamentarisch und somit demokratisch abgesichert.
 
Zu ihrer Frage: Die vorläufige Anwendung lediglich vom eindeutig in EU-Zuständigkeit fallenden Teil von CETA, wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen, der vom Bundestag beschlossen wurde, findet meine Zustimmung.
 
Viele Grüße
Arne Lietz


In Kanada gehören gentechnisch veränderte Lebensmittel und Fleisch von Tieren, die mit Hormonen behandelt wurden, zum Alltag. Die Kennzeichnungspflicht ist wesentlich schwächer als in der EU. Glauben Sie, dass in Zukunft diese Produkte auf den europäischen Markt kommen werden?

Sehr geehrte Damen und Herren,

Haben Sie vielen Dank für Ihre Postkarte mit der Fragestellung zu Gentechnik und CETA.

In CETA findet sich ein klares Bekenntnis zum Schutz von hohen Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards. CETA bekräftigt die Gültigkeit der in Art. 20 GATT formulierten Möglichkeit, dass die Vertragsstaaten generell handelsbeschränkende Maßnahmen für den Schutz von menschlichem Leben, Gesundheit, Umwelt, Tieren und Pflanzen treffen dürfen (Art. 28.3). Es ist die klare Position der EU, das Vorsorgeprinzip auch in WTO-Streitfällen zu verteidigen, z.B. hinsichtlich von Hormoneinsatz in der Rinderzucht. So gibt es seit 2009 einen Biotech Dialog EU-Kanada, der in Zukunft im Rahmen von CETA fortgeführt würde. Der Dialog wurde im Rahmen einer einvernehmlichen Lösung aufgrund einer Beschwerde Kanadas hinsichtlich EU-Rechtsvorschriften für genetisch veränderte Organismen eingerichtet. Fragen von gegenseitigem Interesse im Bereich Biotechnologie werden hier regelmäßig erörtert. Dabei ist völlig klar, dass die EU geltende GMO-Rechtsvorschriften deswegen nicht ändert oder ihre Rechtsposition aufgibt. Die Garantie des Vorsorgeprinzips findet sich auch in dem Bezug des Vertragstextes zur Umwelt- und Entwicklung-Erklärung von Rio (Art. 22.1). Das Vorsorgeprinzip ist zudem im EU-Primärrecht (Art. 191 AEUV) verankert und kann daher nicht durch CETA oder ähnliche völkerrechtliche Verträge abgeschafft oder eingeschränkt werden.

Das Vorsorgeprinzip kann somit durch einen völkerrechtlichen Vertrag wie CETA nicht abgeschafft oder eingeschränkt werden. Nach wie vor gibt es zwischen Kanada und der EU unterschiedliche Ansätze, aber grundsätzlich gilt: Das Vorsorgeprinzip im Verbraucherschutz, das sich in Europa bewährt hat, bleibt unangetastet. Gentechnik wird durch CETA nicht eingeführt, es bleibt bei den europäischen Zulassungsverfahren.

Viele Grüße
Arne Lietz


CETA gibt Konzernen Sonderklagerechte, wenn Sie ihre Investitionen durch neue Gesetze zum Schutz von Umwelt und Gesundheit gefährdet sehen. Halten Sie das für richtig?

Sehr geehrte Damen und Herren,

Haben Sie vielen Dank für Ihre Postkarte mit der Fragestellung zur Investitionsgerichtsbarkeit in CETA.
 
Dies ist wohl der umstrittenste Bestandteil von CETA. Während bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den Amerikanern (TTIP) bisher keine Abkehr von privaten, undurchsichtigen Schiedsgerichten (ISDS) erzielt werden konnte, sieht es bei CETA anders aus. Hier soll ein öffentlicher Investitionsgerichtshof eingeführt werden, mit einem Pool von 15 Richtern (fünf EU-Richter, fünf kanadische Richter und fünf aus Drittstaaten). Diese werden von den Vertragsparteien, also der EU und Kanada, nominiert, müssen höchste Anforderungen erfüllen und dürfen ausschließlich in dieser Funktion tätig sein. Das ist eine entscheidende Verbesserung gegenüber dem ISDS-Instrument. In letzterem wurden Schiedsleute gemeinsam von Staaten und den klagenden Firmen nominiert und durften auch in beratender Funktion tätig werden – Interessenkonflikte waren so vorprogrammiert.
 
Auch das Recht von Staaten, im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, bliebe bei der Einführung öffentlicher Schiedsgerichte unangetastet, inklusive der „Nicht-Stabilisierungsklausel“, die besagt, dass eine Änderung des regulatorischen Umfelds kein Klagegrund ist. Investoren können demnach nicht davon ausgehen, dass das regulative Umfeld, in das sie investiert haben, immer gleich bleibt. Zudem wurden die Standards eng definiert, um sicherzustellen, dass nur offensichtliches, willkürliches Verhalten und Diskriminierung Gegenstand einer Klage sein können. Konzerne haben keine Sonderklagerechte, wenn ihre Investitionen durch neue Gesetze gefährdet werden, die den Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zum Ziel haben.

Viele Grüße
Arne Lietz


In Zukunft sollen Wirtschaftsvertreter bei geplanten Gesetzesvorhaben mitreden dürfen. Wie hoch bewerten Sie die Gefahr, dass europäische Standards wie das Vorsorgeprinzip dadurch aufgeweicht werden?

Sehr geehrte Damen und Herren,

Haben Sie vielen Dank für Ihre Postkarte mit der Fragestellung zur Gefahr der Aufweichung europäischer Standards durch CETA.
 
In CETA findet sich ein klares Bekenntnis zum Schutz von hohen Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards. CETA bekräftigt die Gültigkeit der in Art. 20 GATT formulierten Möglichkeit, dass die Vertragsstaaten generell handelsbeschränkende Maßnahmen für den Schutz von menschlichem Leben, Gesundheit, Umwelt, Tieren und Pflanzen treffen dürfen (Art. 28.3). Dies ist die Grundlage der EU, das Vorsorgeprinzip auch in WTO-Streitfällen zu verteidigen, z.B. hinsichtlich von Hormoneinsatz in der Rinderzucht. Das garantierte Vorsorgeprinzip findet sich auch in Bezug zur Umwelt- und Entwicklung-Erklärung von Rio, die ebenfalls bekräftigt wird (Art. 22.1). Das Vorsorgeprinzip ist zudem im EU-Primärrecht (Art. 191 AEUV) verankert. Die regulatorische Kooperation (Kapitel 21) ist außerdem eher als freiwilliger Prozess einzustufen. Die Regierung kann bzgl. regulatorischer Belange entscheiden nicht zu kooperieren (Art. 21.5).
 
Das Vorsorgeprinzip kann somit durch einen völkerrechtlichen Vertrag wie CETA nicht abgeschafft oder eingeschränkt werden. Nach wie vor gibt es zwischen Kanada und der EU unterschiedliche Ansätze, aber grundsätzlich gilt: Das Vorsorgeprinzip im Verbraucherschutz, das sich in Europa bewährt hat, bleibt unangetastet.
 
Viele Grüße
Arne Lietz