EU-Parlament will Palästina anerkennen – nur wie?

Das EU-Parlament plant eine Resolution zur Anerkennung Palästinas als Staat. Wann diese erfolgen soll, ist aber hinter den Kulissen höchst umstritten – ebenso wie die Bedingungen dafür.
von Christoph B. Schiltz, Brüssel

Der Druck aus Europa für eine Verhandlungslösung im Nahen Osten wächst. Die Parlamente mehrerer EU-Länder haben in den vergangenen Wochen für eine offizielle Anerkennung Palästinas als Staat gestimmt. Durch die symbolischen Resolutionen, die für die jeweiligen Regierungen nicht bindend sind, soll vor allem Israel zu einer Wiederaufnahme des Friedensprozesses mit den Palästinensern gebracht werden. Ziel ist eine sogenannte Zwei-Staaten-Lösung: Die friedliche Koexistenz der Staaten Israel und Palästina.

Jetzt will auch Brüssel Druck machen. Der Plan: Am kommenden Mittwoch soll das Europäische Parlament eine Resolution zur Anerkennung Palästinas verabschieden – allerdings unter Bedingungen. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), sagte der „Welt“: „Eine völlig unkonditionierte Anerkennung Palästinas wird es nicht geben. Inhalt dieser Resolution muss vielmehr sein, dass von uns nicht nur ein lebensfähiger Palästinenserstaat anerkannt wird, sondern die Palästinenser, einschließlich der Hamas als Mitglied der Koalitionsregierung, müssen darin auch aufgefordert werden, das Existenzrecht des Staates Israel anzuerkennen.“

Hinter den Kulissen wird seit Wochen heftig gerungen über den genauen Wortlaut der Resolution. Eine Einigung gibt es noch nicht. Im Kern geht es dabei um die Frage, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen Palästina anerkannt werden soll. Teile des Parlaments, darunter viele Sozialisten aus Südeuropa, fordern eine „schwedische Lösung“: die Anerkennung ohne Vorbedingungen. Die schwedische Regierung hatte Palästina vor wenigen Wochen als 135. von 193 Mitgliedern der Vereinten Nationen (UN) und als erstes EU-Land anerkannt.

Dagegen kämpfen die europäischen Christdemokraten (EVP) für einen Text, wie ihn das Parlament in Madrid beschlossen hatte. Die „spanische Lösung“ sieht eine Anerkennung Palästinas erst nach erfolgreichen Friedensverhandlungen mit Israel vor. Diese Position wird übrigens auch von Deutschland und den USA vertreten, ohne dass es hierzulande aber eine Resolution dazu gibt.

Sollte es zu einer Resolution über die Anerkennung Palästinas kommen, ist es wichtig, dass sie eine breite Mehrheit im Parlament findet Arne Lietz (SPD), EU-Parlamentarier

Nun zeichnet sich ein Kompromiss ab: Die Anerkennung eines Palästinenserstaats soll während laufender Friedensverhandlungen passieren – aber erst dann, wenn ein positiver Verlauf als sicher gelten kann. „Sollte es zu einer Resolution über die Anerkennung Palästinas kommen, ist es wichtig, dass sie eine breite Mehrheit im Parlament findet“, sagte der SPD-Nahostexperte im EU-Parlament, Arne Lietz.

Damit spricht Lietz einen wunden Punkt an. Die Abgeordneten wissen, dass ihre Resolution nur dann Wirkung erzielen kann, wenn sie mit überwältigender Mehrheit verabschiedet wird. Schließlich hat die EU Großes vor: Die Willenserklärung des Abgeordnetenhauses soll der Startschuss sein für eine neue Rolle der Europäer im Nahen Osten. Der einflussreiche Außenpolitiker Elmar Brok sagte dazu: „Die Resolution des EU-Parlaments soll die Grundlage sein für einen gemeinsamen Vorschlag zur Lösung des Nahostkonflikts, den die Außenbeauftragte Mogherini nach Billigung durch die Mitgliedstaaten machen soll.“

Der Sozialdemokrat Lietz sieht das genauso: „Aus meiner Sicht muss eine Anerkennung Palästinas auf europäischer Ebene abgestimmt werden. So kann Federica Mogherini am besten bei ihrer Nahost-Friedeninitiative unterstützt werden.“ Im Klartext bedeutet das: Die EU-Regierungschefs sollen sich im kommenden Jahr auf eine gemeinsame Linie zu Israel und Palästina verständigen, um dann stärker als bisher an der Seite der USA bei den Friedensverhandlungen mitzumischen.

Brok erklärt „Wettlauf um Anerkennung“ für sinnlos

Laut Brok ist eine gemeinsam verabschiedete Erklärung der EU zu Israel und Palästina weitaus wirkungsvoller als die Resolutionen einzelner nationaler Parlamente. „Es bringt nichts, wenn die Parlamente einzelner EU-Staaten sich in einen Wettlauf um die Anerkennung Palästinas begeben. Das ist reine Symbolik. Wir brauchen vielmehr eine abgestimmte Politik in dieser Frage und eine einheitliche Position der EU.“

Das würde das Gewicht der Europäer im Nahostkonflikt „deutlich“ stärken. Die Parlamente in Spanien, Frankreich und Großbritannien hatten sich in den vergangenen Wochen für eine Anerkennung Palästinas ausgesprochen. In den Volksvertretungen Dänemarks, Belgiens, Portugals und Sloweniens werden derzeit ebenfalls Resolutionen vorbereitet.

Seit Jahren bemühen sich die Palästinenser um eine internationale Anerkennung eines unabhängigen Staates Palästina – bisher ohne Erfolg. Ihr Präsident Mahmud Abbas versucht darum seit Jahren eine Konfliktlösung durch internationales Recht voranzubringen: Seit Oktober sind die Palästinenser Vollmitglied im Kulturausschuss Unesco, und seit zwei Jahren haben sie einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. Im April 2014 traten die Palästinenser zudem der Genfer Konvention bei – mit dem Ziel, dass der Haager Gerichtshof Druck auf Israel ausübt.

Quelle: http://www.welt.de/politik/ausland/article135309856/EU-Parlament-will-Palaestina-anerkennen-nur-wie.html